Religionskritik im Dialog: Freud versus Marx

Vaterkomplex oder Volksgeisel?

Im Rahmen des Philosophiekurses (Wahlfach in Klasse 11) setzen sich die SchülerInnen des Jahrgangs 11 mit verschiedenen religionskritischen Ansätzen auseinander. Eine Schülerin ließ in diesem Rahmen Sigmund Freud und Karl Marx aufeinandertreffen. Ein heiterer Plausch!

Sigmund Freud besucht einen Kongress in Nürnberg, vor dem Buffet beugt sich ein bärtiger Mann über den Thunfisch, Freud geht rasch auf ihn zu

F: Entschuldigung, sind Sie nicht Ludwig Feuerbach? Mit dem Bart hätte ich Sie fast nicht erkannt, ich bin Herr Freud, aber Sie dürfen Sigmund sagen. Schon ewig wollte ich Ihnen mitteilen, wie sehr ich Ihre Thesen unter...

Der Mann dreht sich zu Sigmund Freud...

M: Ich fürchte ich muss Sie enttäuschen Sigmund, aber ich bin Karl Marx.

F: Ach, das ähhh, das ist mir jetzt aber ganz...

M: Braucht es nicht. Sie unterstützen Feuerbachs Ansichten? Die Religionskritik nehme ich an. Ich selbst bin von seinen Überlegungen überzeugt, habe sie nur noch ein bisschen weitergeführt, kommunistisch, versteht sich.

F: Weitergeführt ist gut, Sie haben ja nichts als billige Propaganda aus seinen Texten gemacht! "Das Opium des Volkes", als ob die Menschheit ein großer Ameisenhaufen wäre, den jeder mit einem Stück Zucker lenken kann! Die Religion setzt auf einer ganz anderen Ebene an, nämlich schon in der frühsten Kindheit! Wer hat sich als Kind nicht geborgen und geschützt gefühlt, unter der Hand eines liebenden Vaters...

M: Also ich nicht!

F: ...eines liebenden Vaters, der zu allem fähig ist und als oberste Moralinstanz immer das Richtige tut. Wenn wir älter werden, erkennen wir diesen Trugschluss, unser Vater ist genauso fehlerbehaftet wie wir selbst, den Komfort der Illusion eines vollkommenen, lohnenden und strafenenden Wesens wollen wir aber nicht aufgeben. Und da kommt dann Gott ins Spiel.

M: Dann läuft in jedem Menschen also seit Jahrtausenden genau der gleiche psychologische Trugschluss ab, dieser verallgemeinernde Individualismus war mir noch nie begreiflich. Wenn man aber Ihrer kruden These folgt, muss man doch auf einen Widerspruch stoßen. Warum verlieren immer mehr Menschen den Glauben? Gibt es etwa aus reinem Zufall gerade jetzt weniger fürsorgliche Väter oder mehr eigenständigere Erwachsene? Tut mir leid Sigmund, aber mit der Idee hast du dir selbst ins Bein geschossen.

F: Herr Freud, wenn ich bitten darf!

M: Sie hatten mir doch das Du angeboten! Und ich bin sogar so freundlich, Ihnen den wahren Grund für die Glaubenskrise zu nennen. Bisher wurden die Menschen von der Religion abhängig gemacht, nur hier fanden sie Antworten auf ihre Fragen und Hoffnung auf eine erträgliche Zukunft. Ihnen waren die Augen vor der Sinn- und Gnadenlosigkeit dieser Welt verbunden und sie waren glücklich darüber! Jetzt, wo die Aufklärung den Schwindel aufgedeckt und das kalte Antlitz der Welt enthüllt hat, erkennen viele Menschen die Religion als das was sie ist. Sie sind nichts Weiteres als ein angebundener Hund, der seinem Herrchen trotzdem gehorcht, selbst wenn er angeschrien wird. Jetzt wird es Zeit, dass sich der Hund erhebt und auf zwei Beinen geht!

F: Würden Sie nicht so überschwänglich und pathetisch daherkommen, würde ich Ihnen glatt glauben. Der Mensch muss sich selbst ins Zentrum fassen und sich die Vernunft bzw. die Wissenschaft zur Religion nehmen.

M: Fügen Sie noch den Aufstieg des Proletariats hinzu und wir sind uns einig.

Ein weiterer Bartträger betritt den Saal

F: Einen Augenblick! Ist das da hinten nicht...

M: Sie haben Recht! Herr Feuerbach warten Sie, ich bin Ihr größter Fan!

F: Was? Ich bin Ihr größter Fan, so warten Sie doch!

(von Mariel Bernnat, Kl. 11)

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